Oft sagen mir Kunden, dass sie sich nicht um Standards bemühen. Weder halten sie sich selbst an Standards noch drängen sie ihre Geschäftspartner dazu, Standards einzuhalten — um es mal drastisch zu formulieren. Natürlich handeln nicht alle so.
Informatikern ist der Sinn von Standards auf Anhieb klar. Nicht, weil sie ach so klug sind, sondern weil sie den Nutzen von Standards aus Erfahrung kennen.
Ein Beispiel, aus dem Leben (von heute Vormittag) gegriffen:
Eine Website A möchte per RSS-Feed Inhalte einer anderen Website B zur Verfügung stellen. Auf Website B soll der Name des Autors eines Artikels angezeigt werden. Das heißt, dass Website A den Namen semantisch auszeichnen muss, z.B. mit
<author>Name des Autors</author>
Sonst könnte man ihn nicht zuverlässig auslesen. In der RSS-2.0-Spezifikation ist klar definiert wie der Feed dafür auszusehen hat.
Beide Seiten einigen sich darauf, RSS-2.0-Spezifikation zu befolgen. Die Betreiber von Website A wissen nun, dass deren RSS-Feed per Definition zu jedem Beitrag ein
-Feld beinhalten muss. Die Betreiber von Website B wissen, dass sie das Feld einfach auslesen müssen, um den Namen des Autors anzuzeigen
Nicht-Informatiker haben meiner Erfahrung nach oft Probleme, den Nutzen von Standards zu erkennen. Vorausgesetzt, sie haben ein wenig BWL- oder VWL-Kenntnisse, könnte man so argumentieren:
Die Befolgung von Standards führt zu “positiven Externalitäten”, auch “positive externe Effekte” genannt. Das bedeutet: Je mehr Menschen und Unternehmen einem Standard folgen desto größer ist der Nutzen, den sie dadurch haben:
- Man muss (um beim o.g. Beispiel zu bleiben) nicht lange überlegen, wie die gewünschten Informationen ausgetauscht werden könnten — der Standard gibt vor, wie man es macht. Das senkt Planungskosten und spart Zeit.
- Der Standard gibt (nicht immer, aber meistens) auch die beste Vorgehensweise wieder, d.h. man braucht keine Erfahrungen mit einer selbst gestrickten Lösung sammeln. Das senkt Planungs- und Entwicklungskosten und spart Zeit.
- Es sind meistens fertige Programme oder Komponenten verfügbar, welche Standards bereits integrieren. Das senkt Entwicklungskosten und spart Zeit.
- Man ist automatisch kompatibel mit einer ganzen Reihe anderer Systeme. Das senkt Planungs- und Entwicklungskosten und verkürzt die Zeit bis zum Markteintritt.
Das sind IMHO die wichtigsten Nutzenpotenziale eines Standards. Je nach Situation kann ein Standard bzw. dessen Befolgung auch Betriebskosten senken.
Das Fazit: Es gibt mehr als genug gute Gründe, Standards zu befolgen. Wer sich nicht an Standards hält (und nicht gerade Monopolist ist), kann sich schwere betriebswirtschaftliche und technische Probleme einhandeln.
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