Kinderpornografie-Sperren sind Täterschutz

Kinderpornografie ist widerlich. Es ist gut, dass Verbreitung und Besitz verboten ist. Klar ist auch, dass die Bemühungen zur Eindämmung von Kinderpornografie verstärkt werden müssen.

Schlecht ist, dass Ministerin Von der Leyen deutsche Internet-Zugangsanbieter dazu bringen möchte, den Zugriff auf bestimmte Websites mit Kinderpornografie zu sperren. Die Liste mit den Websites soll vom BKA verwaltet werden. Dass dabei die Gefahr von Kollateralschäden extrem hoch ist, lasse ich – wie die Minsterin auch – jetzt mal außen vor, ebenso wie die Tatsache, dass solche Sperren (gilt auch für Internet-Sperren bei Urheberrechtsverstößen) gegen die Kommunikationsfreiheit verstoßen und gegen die Berufsfreiheit (wie in meinem Fall) verstoßen könnten.

Netzpolitik.org weist auf ein Radio-Streitgespräch hin, in dem der Chaos Computer Club bzw. dessen Sprecher Andy Müller-Maguhn folgendes sagt:

“Eine Ausblendung problematischer Inhalte durch Sperrverfügungen wie von Frau von der Leyen vorgeschlagen würde bedeuten, dass die Taten und die Täter der Wahrnehmung und auch der Strafverfolgung entzogen werden. Staatliche Defizite bei der Verfolgung dieser Straftaten löst man aber nicht dadurch, dass man die Darstellung der Delikte ausblendet”, sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn zu dem Vorschlag von der Leyens.[…]

Man sollte nicht die Augen vor dem Leid der Kinder verschließen und die Kinderpornografie-Anbieter lieber direkt verfolgen, auch wenn es schwierig und dazu internationale Kooperation notwendig ist. Auf jeden Fall wäre das Wirkungsvoller, als diese Bilder einfach bequem auszublenden.

Von der Ministerin wird auch oft behauptet, es gäbe jeden Tag zehntausende Zugriffe auf Websites mit Kinderpornografie. Diese Zahl stammt wohl von schwedischen Ermittlern. Ich gehe mal nicht davon aus, dass die Ministerin hat nachprüfen lassen, ob diese Zugriffe von Pädophilen, uninteressierten “Passanten” oder automatischen Such-Bots stammen. Interessant zu wissen wäre das schon – vielleicht jagt die gute Frau ja einem Phantom hinterher.

Ich bleibe jedenfalls bei meiner Meinung: Diese Sperren blenden höchstens einen Bruchteil dessen aus, was wirklich – nämlich verschlüsselt in Darknets – an Kinderpornografie kursiert. Und dagegen kommt man nur an, wenn man die Täter aufspürt und der Justiz zuführt.

Nachtrag 1: Golem berichtet noch über ein anderes Gespräch. Oliver Süme vom eco-Verband wird darin zitiert:

Natürlich ließen sich diese Sperren umgehen. Aber auch ein Schloss könne aufgebrochen werden, sagte Maurer. Leider zeige eine Vielzahl von Staaten keine Bereitschaft, gegen Kinderpornografie vorzugehen. Oliver Süme vom Eco-Verband ergänzte, dass Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie in fast der Hälfte aller Staaten weltweit nicht strafbar sei.

Der eco-Verband spricht sich gegen Internet-Sperren und für die Verfolgung der Täter im Ausland an. Genau das muss man tun. Man muss ausländische Regierungen dazu bringen, diese Taten zu verfolgen. Was hilft es denn einem südamerikanischen oder asiatischen Kind, wenn dessen Bilder in Deutschland blockiert werden?

Nachtrag 2:
Mir kommt allmählich der Gedanke, dass Politiker gar nicht begreifen, was diese Sperre überhaupt bewirkt.

Mal ein Gedankenspiel machen: 100.000 Deutsche und 900.000 Ausländer rufen Kinderpornografie von einem ausländischen Server ab (und nur um die geht es der Frau von der Leyen). Frau von der Leyen lässt nun in Deutschland den Server sperren. Folglich können 100.000 Deutsche zunächst die Bilder nicht erreichen. Das an sich ist ja nicht schlecht.

Wahrscheinlich können durch die Sperre des Kinderporno-Servers aber auch andere Server nicht erreicht werden. Das kann bespielsweise die Website einer Kinderschutz-Organisation sein – das Internet ist nicht in Millieus aufgeteilt wie eine Stadt. Bildhaft ausgedrückt: Im Internet kann ein Bordell neben einer Kirche stehen. Es gibt also zwangsläufig Kollateralschäden. Dagegen merken 900.000 Ausländer von der Sperre nichts, sie können weiter die Bilder abrufen, denn gelöscht wird durch die Sperre kein einziges Bild eines missbrauchten Kindes.

Von den 100.000 Deutschen wissen garantiert 80.000 sofort, wie sie die Sperre umgehen können. Das Wissen wird z.B. in Computerbild & Co. vermittelt, die Software bietet das Magazin sogar selbst zum Download an (die Software dient dazu, das Recht der informationellen Selbstbestimmung aktiv auszuüben und Zensurmechanismen zu umgehen). Die 20.000 Konsumenten weniger, welche die Bilder nicht abrufen können, werden IMHO nicht zu einem dünneren Angebot an Kinderpornografie führen.

Weiterhin besteht die Gefahr, dass (so wie bei der thailändischen Zensur), die Sperrliste bekannt wird und Pädophile dadurch schneller als vorher an die verbotenen Bilder gelangen – die 20.000 Gesperrten könnten schnell durch Kinderpornografie-Neukonsumenten aufgewogen werden.

Eine schlechte Kosten-Nutzen-Rechnung für meinen Geschmack. Die Täter zu verfolgen und die Bilder in internationaler Kooperation direkt löschen zu lassen ist der deutlich sinnvollere und effektivere Ansatz.


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